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OTTO MICHAEL SCHMITT - KURZBIOGRAPHIE

Überarbeitet und ergänzt vom Herausgeber auf der Grundlage von:
Otto Michael Schmitt - Anmerkungen zu Leben und Werk
Von Eberhard Schmitt, erschienen 1994.

Otto Michael Schmitt wurde am 1.Januar 1904 in Laufen an der Salzach als jüngstes Kind eines Rechnungsrats geboren. 1910 zog die Familie nach Augsburg um. Dort besuchte O.M.Schmitt die Volks-schule und das Humanistische Gymnasium, welches er jedoch in den Nachkriegswirren 1918/19 bereits wieder verließ, um von da an seinen eigenen Weg zu gehen. Zunächst arbeitete er in einem Architekturbüro, praktizierte dann als Maurer und Zimmermann und erlernte anschließend das Drechslerhandwerk. In Thüringen betrieb er zusammen mit einem Kompagnon 1922/23 kurzfristig eine eigene Werkstatt.

1919 war er in die Jugendbewegung eingetreten. Eberhard Schmitt schreibt 1994 in seinem Aufsatz Otto Michael Schmitt - Anmerkungen zu Leben und Werk: Die Jugendbewegung wurde neben der aufgesogenen humanistischen Bildungswelt aus der Schulzeit für seine lebenslange Weltsicht ebenso prägend wie für viele andere nach Gestaltung eines geistigen oder materialen Stoffes drängende Jugendliche jener Jahre, die gegen die ältere Generation revoltierten: Unverständnis für die moderne arbeitsteilige Industrie, Abneigung gegen die anonyme Macht von Bürokratien, Konzernherren und Gewerkschaften, Verachtung der modernen Medien und jener Erscheinung, die er »Medienmache« nannte, auch Unwohlsein gegenüber der Politik und der Menschenklasse, die sie betrieb, gleichzeitig ein denkbar geringes Interesse für die in vorgegebene feste Arbeitsrhythmen eingebundenen »Maschinenmenschen« der Städte, dagegen Begeisterung für die Lebenswelt der vorindustriellen Zeit, für die Bodenständigkeit des bäuerlichen Lebens, den Bürger und Handwerkerstolz der ehemals freien Reichsstädte ... und für eine Reiter- und Ritterherrlichkeit, die eher den Ritterromanen der Zeit Kaiser Maximilians I. als der historischen Wirklichkeit entsprach. ... So war er, der sich in seiner Malerei so häufig mit mythologischen und historischen Stoffen scheinbar fern der Gegenwart beschäftigte, zeitlebens gleichzeitig revoltierend, konservativ und daneben aber auch bis zum äußersten liberal und fördernd tolerant, nämlich dort, wo er jemanden um künstlerische Selbstbestimmung des eigenen Schicksals ringen sah.

Der prägende Einfluß der Jugendbewegung auf die Weltsicht von O.M.Schmitt ist für die erste Hälfte des Jahrhunderts ganz unzweifelhaft gegeben. Nach Kriegsende und Gefangenschaft ließen ihn die jüngst gemachten Lebenserfahrungen, auch die nun wieder mögliche Lektüre zeitgenössischer Literatur und naturgemäß die intensive Auseinandersetzung mit neuen Kunstrichtungen Vergangenheit und Gegenwart sowohl distanzierter als auch illusionsloser sehen. Völlig abgewendet von den Ideen der Jugendbewegung hat er sich freilich nie.

1924 begann er an der Staatsschule für angewandte Kunst in München das Studium der Architektur, dann der Malerei bei Prof. Robert Engels. 1926 wechselte er an die Akademie der bildenden Künste in die Klasse für Wandmalerei von Profesor Franz Klemmer. Schon 1927 wurde er Meisterschüler bei Klemmer. 1932 schließlich machte sich O.M.Schmitt selbstständig als freischaffender Maler, wobei er sich von vornherein der Freskomalerei zuwandte. Diese konsequente Hinwendung zur monumentalen Wandmalerei war seinem Lehrer Klemmer zu verdanken, den er zeitlebens hoch verehrte und schätzte. 1934 heiratete er Elise - genannt Lisl - Schönherr, mit der er seit seinem Eintritt in die Jugendbewegung verbunden war.

Zurück zu Eberhard Schmitt und den Anmerkungen zu Leben und Werk:

Er hatte in diesen persönlich so entscheidenden Jahren in seiner Berufsausübung, in die er neben einer hohen Begabung eine hervorragende Ausbildung einbrachte, ungewöhnliches Glück: Der Nationalsozialismus - den er wohl nie ganz durchschaute und der ihn politisch auch nicht interessierte - ließ eine wohlwollende Atmosphäre für jene Ausübenden der bildenden Künste zu, die sich der Wandmalerei verschrieben hatten und ihre Themen in einer - das darf man bei ihm sagen - ringenden Auseinandersetzung mit der Natur und besonders mit dem menschlichen Körper zu gestalten suchten. O.M.Schmitt hatte sich - abgesehen von einigen Erstlingsarbeiten - in seinen frühen und mittleren Jahren nie um eine expressionistische Ausdrucksweise bemüht, doch muß festgehalten werden, daß er - wie ein großer Teil der Studenten und der Absolventen der Münchner Akademie - mit auf die Straße ging, als die nationalsozialistischen Machthaber die sog. »Entarteten« aus den Münchner Galerien entfernten: er wie sie nicht kompromißlos bei ihrem Protest, aber auch nicht ganz erfolglos. Die Werke Corinths kamen damals - so meinte er später aus der Erinnerung heraus - in die Öffentlichkeit zurück, ebenso die Kokoschkas. ...

Monumentale Malerei stieß in den dreißiger Jahren auf vielfache Förderung der Öffentlichkeit, auch auf überwiegend nicht politisch motivierte. In diesen Jahren führte O.M.Schmitt bemerkenswerte Fresken an kirchlichen, kommunalen und staatlichen Bauten aus, die man nicht in die »nationalsozialistische« Kunst einordnen darf: sie hätten so von seiner Hand genauso gut in der Schweiz oder in Belgien oder in den USA entstehen können. Doch muß festgehalten werden, daß es der Zeitgeist war, der ihm die volle künstlerische Entfaltung in der Lebensphase seiner stärksten Schaffenskraft ermöglichte, und er war zu sehr kraftvoll schaffender Künstler und viel zu wenig politischer Mensch, als daß er sich dieses eigentlichen Zusammenhangs bewußt geworden wäre. ... Sein bedeutenstes Werk war in jenen Jahren 1935/36 die Bemalung der Ostfassade des Augsburger Weberhauses, eines alten Zunfthauses der freien Reichsstadt (die Kartons dazu hat er 1932 konzipiert, - der gut dotierte Auftrag ließ ihn 1934 die Heirat wagen).

1939 wurde er zur Schutzpolizei der Reserve eingezogen und tat im Elsaß Dienst. 1941 wurde er Lehrer an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg, 1942 übernahm er dort einen Lehrstuhl für figürliche Komposition und Wandmalerei. Fortan lehrte er während der Semestermonate, wofür er teilweise bis 1944 beurlaubt wurde, in der übrigen Zeit tat er Wehrdienst als Kriegsmaler auf dem Balkan und zuletzt als Kompanieführer an der zurückweichenden Ostfront. Seine Kriegszeichnungen und -malereien wurden in Breslau und Salzburg ausgestellt, sind dann aber verschollen.

1941 wurde er vom Architekten der Kongreßhalle auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Franz Ruff, für die künstlerische Innengestaltung mitvorgesehen: er sollte einen großen Gobelin und die Deckenbemalung (»Die deutschen Gaue«) rund um die gigantische Glaskuppel entwerfen.Die Entwürfe und Vorentwürfe zu diesem Auftrag sind z.T. in der Nürnberger Akademie verbrannt, z.T. aus Schloß Ellingen, wohin die Akademie evakuiert worden war, von Frontsoldaten der amerikanischen Armee als Kriegsbeute mitgenommen worden, bis heute fehlt jede Spur von ihnen.

Im Dezember 1939 war er zum Pol.Oberwachtmeister, im Januar 1941 nach Entsendung auf eine Offiziersschule zum Leutnant und im Juni 1943 schließlich zum Oberleutnat der Schutzpolizei der Reserve befördert worden. Als solcher war er ab Herbst 1944 bei Dresden stationiert. Von dort aus ging er in den letzten Kriegstagen, bedrängt von der vorrückenden Roten Armee, mit seiner Kompanie zu den Amerikanern über.

Eberhard Schmitt: Dann kamen schwerere Jahre als zuvor. Seine Familie war in Nürnberg ausgebombt und aufs Land westlich von Augsburg, wo man ein kleines Wochenendhaus besaß, verschlagen worden. Die Verbindung zu ihr war völlig unterbrochen. Die amerikanische Armee lieferte im Sommer 1945 ein bedeutendes Kontingent Kriegsgefangener an das alliierte Frankreich aus. In dem befand sich auch O.M.Schmitt.

Es ist aus der Zeitgeschichte bekannt, daß Kriegsgefangenschaft in Frankreich damals nach ihren Bedingungen kaum hinter der in Rußland zurückstand. O.M.Schmitt hatte das Schicksal, wegen seines nicht ungewöhnlichen Namens zusätzlich von den französischen Behörden mit einem deutschen Kriegsverbrecher namens Otto Schmitt verwechselt und zur zermürbenden Untersuchungshaft ins berüchtigte Kriegsverbrechergefängnis Cherche-Midi nach Paris verlegt zu werden. Ende 1947 kam er dort frei, nachdem im Verlauf schwieriger Recherchen durch seine Angehörigen - eine entlastende Beweisführung war in den voneinander abgeriegelten Besatzungszonen Deutschlands damals schwerer zu bewerkstelligen als eine Anklage von einem Pariser Armeeschreibtisch aus - nachgewiesen werden konnte, daß er zur Zeit des ihm angelasteten Verbrechens in einem anderen Teil Europas Dienst getan hatte. Aus der Pariser Zelle, in der man - das gab es tatsächlich noch 1947 - weder stehen noch in irgendeiner Richtung ausgestreckt liegen konnte und die gleichwohl immer mit drei Häftlingen belegt war, ist er mit eisgrauen Haaren zurückgekommen, er, der bei Kriegsende gerade die Vierzig überschritten hatte, ... auch mit einem Leistenbruch infolge einer körperlichen Mißhandlung, der ihm fortan bei seiner Arbeit auf dem Gerüst zu schaffen machte.

Er hat nie über seine Gefangenschaft geklagt: nahm er sie als Ausgleich für einen ungewöhnlichen, ja überwältigenden öffentlichen Erfolg in seinen frühen Künstlerjahren, nach dessen politischen Bedingungen er im Schaffensdrang, im regelrechten Arbeitsrausch nicht gefragt hatte? Hatte das Gefängnis ihn mit den grauenvollen Seiten des Nazi-Regimes vertraut gemacht? In sein Inneres hineinsehen ließ er seither kaum, eigentlich erst in seinen letzten Lebensjahren ein wenig.

O.M.Schmitt hat bis zu seinem Tode niemals - auch nicht andeutungsweise - den Versuch gemacht, seine Verbindungen zu verantwortlichen Bauleitern bzw. Architekten im Dritten Reich in irgend einer Weise zu beschönigen. Wozu auch: ohne solche Verbindungen wäre ihm sein Schaffen am Bau nicht möglich gewesen. Heute jedoch - elf Jahre nach seinem Tod - muß es erlaubt sein, die Biographie des Künstlers an dieser Stelle wenigstens in einer Facette zu ergänzen und hierzu aus der im März 1947 abgegebenen eidesstattlichen Erklärung des glaubwürdigen Zeitzeugen Hans B. für die Jahre 1943 bis 1945 zu zitieren:

»An der Akademie in Ellingen fand ich zwei Kunstrichtungen vor. Die offizielle nazistische mit Direktor G. an der Spitze vertrat voll und ganz die Kunsttheorie des 3. Reiches. Demgegenüber standen einige Professoren, unter ihnen Otto Michael Schmitt, die keine Kompromisse mit der Kunsttheorie Hitlers schlossen. Sie vertraten als Lehrer die Ansicht, daß künstlerische Tätigkeit keine Manier und Nachahmung, sondern eine Verpflichtung gegenüber dem Geist und der Offenbarung der Natur darstelle. Otto Michael Schmitt äusserte sich schärfstens gegen die Einflußnahme hochgestellter Nazibonzen in künstlerischen Dingen und sagte u.a. wörtlich: »»Diesen Bonzen ist die Kunst nur als Hure der Partei denkbar.«« In meiner Gegenwart wurde Herr Otto Michael Schmitt von Funktionären der NSDAP in Gauinstanz als Intellektueller und Reaktionär hingestellt. Es wurde gefordert, seine Arbeiten der Öffentlichkeit zu entziehen. ... Otto Michael Schmitt hängte als einziger Lehrer an der Akademie Werke verbotener französischer Künstler aus. ... Es waren ästhetische und sittliche Werte, die ihn keine Kompromisse mit dem Verlangen des Nazireiches schliessen liessen. Dieser Haltung ist es auch zuzuschreiben, daß Herr Otto Michael Schmitt nicht zum Professor erhoben wurde.«

Soweit die Zeugenaussage. Die Verweigerung oder mindestens die Verzögerung der Übernahme in ein Beamtenverhältnis, das Otto Michael Schmitt zur finanziellen Absicherung seiner Familie angestrebt hatte, war für ihn mit Sicherheit eine bittere Konsequenz seines Beharrens auf künstlerischer Freiheit. Er selbst schreibt in seinem Brief vom 8. März 1945 an seinen Bruder Albert u.a.:

»Im April 1941 ging ich seinerzeit nach Nürnberg auf Grund eines Abkommens zwischen mir und der Akademie, in dem festgelegt war, daß ich zunächst für das Sommersemester 1941 den Abendakt an der Akademie übernehmen sollte, unter der Zusicherung, daß für mich ab Wintersemester 1941/42 eine etatmäßige Professur bereitgestellt würde. ... Mir kommt es darauf an, festzustellen, daß ich nur auf die oben erwähnte vertragsartige Zusicherung hin nach Nürnberg ging, daß ich nun die ganzen Jahre gegen eine lächerliche Bezahlung Dienst gemacht habe und zwar für zwei Lehrkräfte, und daß mir die Direktion von Semester zu Semester immer wieder das Versprechen gab, daß meine Sache zur vollsten Zufriedenheit geregelt würde. ... Es ist also so, daß - wenn mir etwas zustößt - Lisl keinen Anspruch auf eine Pension oder dergl. hätte ... Wenn ich diesen Krieg, der ja nun doch einmal so oder so ein Ende finden muß, überlebe, dann ist mir um ein Weiterleben nicht bang, ich werde mich schon durchschlagen mit der Familie, wenn aber nicht, dann möchte ich Dich bitten, wenn irgend das innerstaatliche Gefüge einigermaßen in Ordnung bleibt, Lisl zu helfen, daß meine berechtigten Ansprüche anerkannt werden. Ich wüßte ja nicht, wie sie mit den Kindern existieren sollte, denn viel konnte ich nicht ersparen, und außerdem wird das ja wohl auch vor die Hunde gehen.«

Das war zwei Monate vor dem Zusammenbruch und der Kapitulation, es folgten Gefangenschaft und Heimkehr.

Weiter mit Eberhard Schmitt:

1948 nahm er seine Lehrtätigkeit an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg wieder auf. 1957 wurde er in das Amt des Präsidenten der Akademie gewählt, das er, mit einer ganz kurzen Unterbrechung, bis 1968 inne hatte. Eine ähnliche Funktion als Vertreter des Schaffens im Bereich der bildenden Künste nahm er im gleichen Zeitraum in Augsburg wahr, dort als Präsident des Berufsverbands bildender Künstler Schwaben Nord und Augsburg und zeitweilig als zweiter Vorsitzender der Augsburger Künstlervereinigung »Die Ecke«. Es ist kaum zu begreifen, wie er es zuwege brachte, seine Aufgaben als Leiter der Akademie, als öffentlicher Repräsentant des Kunstschaffens in Bayrisch- Schwaben, als Lehrer einer beachtlichen Zahl anspruchsvoller Schüler und als außerordentlich kreativer, von neuem vielgefragter Maler zu vereinbaren.

In den vierziger bis siebziger Jahren entstanden in öffentlichem oder privaten Auftrag zahlreiche Fresken, Sgraffiti, Gobelins und Mosaiken von seiner Hand oder nach seinen Entwürfen. ... Der anspruchsvollste Auftrag war ohne Frage der, die Bemalung des im Krieg zerstörten Weberhauses in Augsburg erneut zu übernehmen, diesmal nicht nur die der Ostfassade wie vor dem Krieg, sondern aller drei Fassaden. Diesen Auftrag führte er 1959-61 (Südseite 1959, Westseite 1960, Ostseite 1961) aus. In jenen Jahrzehnten hatte sich seine Malerei weiterentwickelt: Er abstrahierte vorsichtig, experimentierte mit chemisch neuen Malmitteln, stilisierte dargestellte Figuren, Menschengruppen, Baukörper, Natur und Landschaft stärker auf ihre Grundelemente hin als vor dem Krieg.

 ...

1969 erreichte er an der Nürnberger Akademie die Altersgrenze der Professoren und wurde pensioniert, wobei er abermals Glück hatte. Denn mit der Studentengeneration der 68-Revolte an den deutschen Hochschulen kam er von seinem Naturell her nicht zurecht, er, der eine eher charismatische Autorität besaß und gleichzeitig etwas Pastorales an sich hatte, der viel von sich und nicht weniger von seinen Schülern forderte, der jede Intellektualisierung eines Problems und jede Haarspalterei in der Debatte haßte und mit Leuten, die viel redeten, viel hinterfragten und wenig handelten und schufen, nicht zurecht kam. Er war kein Mensch des Kompromisses, er war streitbar, er war in mancher Hinsicht auch schwer belehrbar. So verteilte er etwa in den sechziger Jahren das als »Honnefer Modell« bekannte Stipendium für Studierende aus einkommensschwächeren Familien (das heutige BAFÖG) an seiner Hochschule nicht nach dem Zweck, zu dem es vorgesehen war, nämlich nach sozialen Kriterien, sondern ausschließlich nach der künstlerischen Begabung der Bewerber. Er legte sich damals nicht nur mit der Studentenschaft, sondern genauso mit seinem Kultusministerium an. ... Er vermochte seinen Standpunkt vor dem zuständigen Landtagsausschuß darzulegen, mußte der Kraft des gesetzten Rechts weichen (ohne sich innerlich überzeugen zu lassen) und damit war die Angelegenheit erledigt.

Seither ist alles anders geworden, ist unsere Sozialdisziplinierung rapide weiter fortgeschritten: Doch zu Beginn dieses neuen Abschnitts der deutschen Geschichte konnte er aus Altersgründen seine Hochschule verlassen, und das tat er gern. Denn dieser neuen Zeit, in der einerseits alles und jedes justitiabel geworden ist, wo andererseits ein Künstler oder Wissenschaftler in einem öffentlichen Amt, der die feinsten Rechtsregeln seiner Amtsführung nicht rundum beherrscht, jederzeit mit einem Bein im Gefängnis steht, gewann er nichts mehr ab.

Nach seiner Pensionierung hat er sich mehr als früher der Ölmalerei zugewendet, im besonderen entstanden Landschaftsbilder, die allesamt, ebenso wie seine monumentale Kunst, durch strenge Komposition ausgezeichnet sind.

...

Als es für ihn körperlich schwieriger wurde, vor der Staffelei zu stehen, zeichnete er mehr denn je zuvor, ein hervorragender Figurist war er immer gewesen. Da brachte er Illustrationen zu antiken Göttermythen wie zu den Heldensagen seiner Kindheit und seiner Jugendbewegungszeit, zu Märchen und Erzählungen, auch zu biblischen Themen und zu Heiligenlegenden zuwege, eigentlich zu fast jedem Stoff der Fabel- oder einer untergegangenen Heroenwelt. Diese Skizzen, die anders als seine großen Kompositionen ganz spontan, ja aus einer nicht fesselbaren Motorik der Hand heraus entstanden, sind von einer unglaublichen zeichnerischen Qualität, voller bizarrem Witz in der Charakterisierung einer Person oder Situation, manchmal zwar humorvoll, eher aber verfremdend, oft von gnadenlos scharfer, ätzender Präzision im Erfassen der Eigenheiten seiner »Helden«. Während sein monumentales Oeuvre bekannt (und teilweise leider dem Krieg zum Opfer gefallen) ist, seine Ölgemälde teilweise, so mag vermutet werden, zum bleibenden Besitz des zwanzigsten Jahrhunderts gerechnet werden dürfen, ist die Fülle seiner Zeichnungen für eine größere Öffentlichkeit ... noch zugänglich zu machen. Dann wird sich zeigen, daß O.M.Schmitt ein Künstler war, der in seiner Originalität in beiden Hälften des Jahrhunderts zuhause war und den man desto eher in seiner kraftvollen Fülle anerkennen wird, je mehr Distanz man zu ihm gewinnt.

O.M.Schmitt starb am 1. Februar 1992 in seiner Wahlheimat, dem Dorf Anhausen bei Augsburg, hochgeehrt, u.a. ausgezeichnet mit dem bayerischen Verdienstorden und der Ehrenmitgliedschaft der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg sowie des Berufsverbands bildender Künstler Schwaben Nord und Augsburg.